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Dental Tribune Austrian Edition

Kaum ein chirurgisches Fachgebiet findet so breites Medieninteresse wie die Plastische Chirurgie. Der Span- nungsbogen in den Medien reicht von Begeisterung bis schärfster Ab- lehnung dieses Teils der Plastischen Chirurgie, zwar oft sachlich wenig begründet, aber immer emotionell betont.HäufigwirddieFragegestellt, sei es in Artikeln oder im TV, warum hatdiePlastisch-ÄsthetischeChirur- gie einen solchen Aufschwung erlebt unddamitdasöffentlicheInteressein dieser Form geweckt? Dies einer soziologisch-wissen- schaftlichen Betrachtung zu unter- ziehen, würde sicher den Rahmen dieses Artikels sprengen, aber die Mehrzahl der Gründe ist sicherlich im Umfeld der Entwicklung unserer Gesellschaft hin zur sogenannten Informationsgesellschaft zu suchen. Dauerte es früher,zu Zeiten Goethes, Monate, bis der auferstandene grie- chische Kleidungsstil aus Paris nach Weimar fand, sind alle diese Infor- mationen heute mit wenigen Maus- klicks überall auf derWelt verfügbar. Besonders deutlich spiegelt sich diese Schnelligkeit der Informa- tionsübermittlung und der daraus folgenden Informationsverarbeitung z.B.am Erfolg der Modeketten H&M und Zara wider, denen es gelingt, aktuelle Entwürfe aus den großen Modemetropolen in leicht abgeän- derter Form innerhalb von wenigen Wochen in die eigenen Filialen zu bringen. Körperbewusstsein und damit einhergehende Phänomene wie Kör- perkult,derWunschattraktivzusein, zuwerdenoderzubleiben,oderauch den Körper radikal zu verändern, ist dagegen kein Phänomen der neu- zeitlichen Mediengesellschaft. Jede Kultur hat in ihren eigenen EntwicklungsphasenSchönheitsidea- le und Maßstäbe entwickelt, die Vor- bild des gesamten Stammes oder in späteren Jahrhunderten der Epoche waren. Vielfach hatten diese Schön- heitsidealehandfestesozialeundkul- turelle Hintergründe, z.B. das füllige Frauenbild aus der Rubens-Ära, das eben auch sozialen Wohlstand sig- nalisierte. In der heutigen Zeit hat sich dieses Bild diametral gewandelt, sodass diese Körperform heute eher in sozial schwächeren Schichten ge- funden wird. Schon in den frühesten Auf- zeichnungen der Menschheit zeigt sich, dass die Menschen versucht haben, ihr Äußeres zu verändern, zu verbessernoderdenRiten,Vorgaben und Idealen ihrer Umgebung anzu- passen.SoistSchminkevieleTausend Jahre alt,das Setzen von Narben,um bestimmten Schönheitsidealen zu entsprechen, findet sich ebenfalls schon vor vielen Tausend Jahren. Versuche, die Körperform zu verän- dern, sei es durch das Tragen der HalsringebeiafrikanischenStämmen oder das Binden der Füße im fernen Osten, sind invasive Maßnahmen zur Veränderung der Körperform und durchaus keine Innovation der „schneidenden“ Fächer in der zwei- ten Hälfte des vergangenen Jahr- hunderts. „Schönheit liegt im Auge des Betrachters“ Philosophen, Kunsthistoriker und andere Geisteswissenschaften haben über lange Zeit versucht, den Begriff der Ästhetik zu definieren, undletztlicheingesehen,dassSchön- heit nicht definierbar ist. Natürlich lassen sich Kunstwerke nach den Regeln des Goldenen Schnitts beur- teilen, aber die Frage, was ist schön und was wird als schön empfunden, hat bisher die Philosophie z.B. nur beschreibend definieren können, in- dem man mehr die Empfindungen desBetrachtendenzurGrundlageder Definition machte. Wie so oft hat es Goethe hier auf den Punkt gebracht, wenn er feststellt:„Schönheit liegt im Auge des Betrachters.“ Obwohl Ästhetik offensichtlich nicht nach strengen Regeln zu de- finieren ist,gibt es offensichtlich Per- zeptionen, die kultur- und epoche- übergreifend gelten. So wird die Büste der Nofretete von einer über- wältigendenMehrzahlderBetrachter als schön empfunden, obwohl man davon ausgehen muss,dass sie in Na- turasonichtausgesehenhabenkann, vor allem nicht, wenn man andere Abbildungen aus zeitgenössischer Zeit Nofretetes dagegenhält. Dem Künstler ist es hier aber offensichtlich gelungen, ein ideali- siertesFrauengesichtsodarzustellen, dass Menschen unterschiedlicher Kulturkreise mit unterschiedlichen Sichtweisen und ästhetischen Prä- ferenzen dieses Gesicht als schön ansehen.Ähnlichesgiltfürihrmänn- liches Pendant, den Apollo von Bel- vedere, der auch von der Mehrzahl der Betrachter als idealisiertes Bild einesmännlichenKörpersangesehen wird. Aus dem oben Gesagten folgert, dass zurVerbesserung des Äußeren •Anpassung an aktuelle Schönheits- ideale •Veränderung der Körperform in allen Kulturen akzeptierte Rituale darstellen. Letztlich bedeutet dies, dass zwi- schen Kosmetik, Mode und Fitness- training, das heißt Anpassung des äußeren Erscheinungsbildes an gel- tende Trends, und einem chirurgi- schen Eingriff zwar ein deutlicher Unterschied besteht, der aber letzt- lich nur gradueller Natur ist. Offenes Bekenntnis zu ästhetischen Maßnahmen in der Informationsgesellschaft Mit der Einführung von konser- vativen Maßnahmen, wie Peeling, Laserbehandlung oder auchAnwen- dung von Füllsubstanzen unter- schiedlichster Art sowie Therapie mit Botulinumtoxin, ist in der letz- ten Dekade ein Zwischenschritt hin- zugekommen, der die Grenze zwi- schen Kosmetik und chirurgischer Behandlung verschwimmen lässt. Die Informationsgesellschaft stellt darüber hinaus über vielfältigste In- formationsquellen, führend hierbei aber das Internet, eine Fülle von frei und schnell zugänglichen Informa- tionen zurVerfügung,die wie in vie- len anderen Bereichen der moder- nen Gesellschaft sowohl Informa- tionstiefe der Patienten verbessern als auch gleichzeitig „Begehrlichkei- ten wecken“. Die große Medienpräsenz und das, gerade bei Personen aus der Showbranche, doch offene Bekennt- niszuästhetischenMaßnahmen,ruft gleichzeitig viele Kritiker auf den Plan. Dabei wird in den meisten Fällen ohne Sachkenntnis und am Beispiel von Einzelfällen ein Urteil gefällt. Als Beispiel sei hier die Kam- pagne gegen den Schönheitswahn und Ästhetische Chirurgie bei Ju- gendlichen angeführt, die letztlich derzeitehervorsichhindümpelt,weil gerade für die These, dass zu früh ästhetische Operationen bei Jugend- lichen durchgeführt werden, jegli- ches Zahlenmaterial fehlt. Nichts- destotrotz wurde im Zuge dieser von der Politik aufgegriffenen und hoch- gespieltenKampagnediegesamteÄs- thetischeChirurgieübereinenKamm geschoren und verteufelt. DaessichindiesemBereichnicht nur um einen Wachstums-, sondern auchumeinenlukrativenMarkthan- delt, drängen natürlich viele Diszi- plinenindiesesFeldhinein.Unglück- licherweise, sowohl für die Öffent- lichkeit als auch für die Patienten, sind darunter Kollegen aus Fächern, denen jede operative Grundausbil- dungfehltunddiekeinerleiplastisch- chirurgische Ausbildung besitzen. Durch die Besonderheiten der Ap- probationsordnungen in Deutsch- landdarf allerdingsjederapprobierte Arzt letztlich fast jeden Eingriff durchführen, sofern er seine Fach- arztbezeichnung, die ihm Grenzen auferlegt,nicht führt. Unabhängig davon ist aber die Regelung in Deutschland so, dass eben ein Kollege aus der MKG- Chirurgie keine Brustoperationen durchführen darf oder ein Ortho- päde keine Fettabsaugungen, was aber immer wieder von Patienten berichtet wird.Dies ist nicht nur ver- antwortungslos,sondernauchforen- sisch gefährlich und schafft gleich- zeitig Angriffsfläche gegen das Feld der Ästhetischen Chirurgie per se,da natürlich die berichtenden Medien nicht die Feinheiten der Weiterbil- dungsordnung auseinanderhalten können. Vorwürfe gegen die Ästhetische Chirurgie Einer der Vorwürfe gegen die Ästhetische Chirurgie lautet, dass sie durch die steigende Nachfrage zu einer bloßen Lifestyle-Chirurgie ge- worden ist, d.h. der Plastisch-Ästhe- tische Chirurg erfüllt jeden Wunsch jedes Patienten, ungeachtet ob diese Methode für ihn geeignet ist, um das Körperbild dem jeweils gängigen Schönheitstrend anzupassen.Interes- sant dabei ist, zu beobachten, dass ineinerGesellschaftmitvielenkultu- rellen Facetten, z.B. in Deutschland, ein einheitliches Schönheitsideal nicht mehr existiert, wobei gewisse allgemeine Begriffe wie z.B. schlank, sportlich,weiterhinbreiteAkzeptanz genießen. Hierbei muss zuallererst die Frage nach der Definition von „Life- style“gestelltwerden.Handeltessich wirklich um ein neues Phänomen oder ist es nur eine moderne Defi- nition von etwas, was es in allen Kul- turen gab? War das bacchantische römische Gelage nicht auch eine Form von Lifestyle und schimpften Plastisch-ÄsthetischeChirurgie:Lifestyle-Operationenodermehr? Das Interesse an plastisch-ästhetischen Operationen ist ungebrochen hoch – trotz kontroverser Diskussionen. Durch unsachliche Mediendarstellungen entsteht oft ein verzerrtes Bild über das Fachgebiet. Doch eine seriös durchgeführte Ästhetische Chirurgie verdient ihren Platz in der Medizin. Von Prof. Dr. med. Günter Germann, Heidelberg. „... liegt die besondere Verantwortung der Ästhetisch-Plastischen Chirurgen dabei darin, nicht auch jedes Jahr ein anderes Implantat einzubauen.“ International Science DENTALTRIBUNE Austrian Edition · Nr. 7+8/2012 · 1. August 20124