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DTGER0312

International Science DENTALTRIBUNE German Edition · Nr. 3/2012 · 7. März 20126 Nebenwirkungen von Komposits Dennoch ist zu beobachten, dass bei einer steigenden Anzahl vonPatientennachderZahnrestau- ration, z.B. mit Kompositfüllun- gen, Nebenwirkungen auftreten. In mehreren Studien der letzten Jahre konnte eine Zunahme allergischer Reaktionen/Nebenwirkungen (z.B. Lichenplanus,Gingivitis,Ulzeratio- nen,Ekzeme,Erytheme(Abb.3&4) und Atemwegserkrankungen, ins- besondere bei Zahnärzten und zahnärztlichem Personal, gegen- über diesen Stoffen beobachtet werden(Alankoetal.1996;Kanerva 2001; Lindstrom et al. 2002; Piirila et al. 2002; Hamann et al. 2004; Goonetal.2006).AlsHauptursache für die Zunahme der allergischen Reaktionen wird in diesen Studien übereinstimmend die starke Zu- nahme derVerwendung zahnfarbe- ner kunststoffbasierter Materialien angegeben. Mittlerweile konnten als Auslöser solcher Reaktionen die in der Zahnmedizin häufig verwen- detenMethacrylate,wiez.B.HEMA und TEGDMA, eindeutig identifi- ziert werden. Raumluft-Messungen In der eigenen Arbeitsgruppe erfolgte die Quantifizierung von HEMA, TEGDMA, Methylmeth- acrylat (MMA) und Ethylenglykol- dimethacrylate (EGDMA) in der Raumluft in dentalen Praxen, La- boren und in den Kurssälen an der Zahnklinik der LMU in Mün- chen mit speziell dafür entwickel- ten Messsystemen. Die maximalen Konzentrationen beim Legen einer Füllung in der Praxis lagen bei 21 mg/m3 Luft für MMA, 45 µg/m3 für HEMA, 13 µg/m3 für EGDMA und 45 µg/m3 für TEGDMA, was für MMA bereits einem Zehntel des MAK-Wertes entspricht (Mar- quardt et al. 2009). Einfluss des Bleachings auf die Freisetzung von Inhaltsstoffen in Komposits In neuesten Versuchen der Ar- beitsgruppe wurde der Einfluss des Bleachings mit Wasserstoffperoxid, H2O2 (15 % und 30 %) auf die Frei- setzung von Inhaltsstoffen in Kom- positsuntersucht.Dabeizeigtesich, dass sowohl bei 15%igem H2O2 (Homebleaching, fünf Stunden Einwirkzeit) als auch bei 30%igem Wasserstoffperoxid (Chairside-Blea- ching=beimZahnarztinderPraxis, 0,5 Stunden Einwirkzeit) vermehrt Inhaltsstoffe, z.B. TEGDMA, frei- gesetzt werden können. Das poly- merisierte 3-D-Netzwerk an der Oberfläche wird dabei zerstört und die nicht vernetzten Restmo- nomere können aus der Tiefe der Kompositfüllung schneller und ef- fektiver ausgewaschen werden, in den Speichel gelangen und ver- schluckt werden (Durner et al. 2011). Erhöhte Allergieauslösung In einer anderen Studie wurde eine hoch sensibilisierende Wir- kung von Methacrylaten mit Aus- bildung von Kreuzallergien bei Betroffenen festgestellt (Kanerva 2001). Es wird daraus gefolgert, dass sich eine allergische Sensibili- sierung auf ein bestimmtes Meth- acrylat-basierendesMonomerauch auf weitereMethacrylat-basierende Monomere ausdehnen kann. Das hat zur Folge, dass durch die stetige Entwicklung und den Einsatz neuer und/oder modifizierter Zahnma- terialien sowohl Zahnärzte, zahn- ärztliches Personal als auch Patien- ten ständig neuen Produkten auf Methacrylat-Basis in Form von Komposits, Haftvermittlern usw. ausgesetzt sind und das Risiko einer Sensibilisierung dadurch zukünftig noch stärker steigen wird. Freisetzung von Inhaltsstoffen aus Komposits/Adhäsiven In weiteren Untersuchungen der eigenen Arbeitsgruppe wur- de von kommerziell verfügbaren Komposits und Dentinadhäsiven die Freisetzungsrate solcher In- haltsstoffe qualitativ und quanti- tativ bestimmt. Hier wurde der Einfluss des Kau- und Abrasions- verhaltens auf die Freisetzung von (Ko)Monomeren (z.B. TEGDMA) anhand dreier, speziell für diese Untersuchungen umgebauter Kau- simulatoren untersucht. Es zeigte sich, dass der Kauakt keinen signi- fikanten Einfluss auf die Freiset- zung von Methacrylaten (z.B. TEGDMA) hat (Durner et al. 2010a). In Elutionsexperimenten wur- den bisher aus Komposits und Adhäsiven die daraus eluierbare- ren Substanzen charakterisiert und quantifiziert. Daneben wurden auch die Bestandteile der ungehär- teten Materialien charakterisiert und quantifiziert (Durner et al. 2010b). Bereits bei diesen wenigen Untersuchungen konnten Substan- zen, wie z.B. das Allergen 2/3-endo- Hydroxyepikampher, ein Reak- tionsprodukt des Photoinitiators Campherquinon, gefunden wer- den, die während der Polymerisa- tion erst entstehen (gefunden im Eluat von gehärteten Komposits, jedoch nicht in der ungehärteten Kompositpaste). Im umgekehrten Fall konnte z.B. das Allergen 2,5- Furandion nur in der ungehärteten Paste gefunden werden. Interessant ist, dass nicht nur unvernetzte In- haltsstoffe, sondern auch Reak- tions- und Destruktionsprodukte eluiert werden können. Reaktions- produkte sind Produkte, die erst während des Polymerisationspro- zesses (Licht-,chemisch-,und/oder physikalisch-induziert) entstehen. Destruktionsprodukte sind Pro- dukte, die erst während des Elu- tionsprozesses mit dem Elutions- mittel gebildet werden. Reaktions- und Destruktionsprodukte können natürlich auch durch Verschlucken mit dem Speichel in den Orga- nismus gelangen. Aufbau einer Datenbank Durch die vorangegangenen Elutionsversuche konnte bereits eine Datenbank zur Freisetzungs- rate dieser Inhaltsstoffe aus Kunst- stoff-Zahnmaterialien aufgebaut werden, die ständig aktualisiert und erweitert wird. Sie stellt derzeit dieweltweitgrößteDatenbankzum ElutionsverhaltenvonZahnmateri- alien dar. In Zusammenarbeit mit anderen Kliniken an der LMU München wurde ein Allergie-Test- verfahren entwickelt, zum Nach- weis einer evtl. bestehenden Aller- gie gegenüber freisetzbaren Stoffen aus Zahnmaterialien. Patienten mit einer nachgewiesenen Allergie gegenüber solchen Stoffen sollten kein Zahnmaterial erhalten, aus dem Substanzen freigesetzt werden können, gegen die der Patient eine Allergie hat. Jede im Zusammenhang mit dentalen kunststoffbasierenden Zahnmaterialien beobachtete Über- empfindlichkeitsreaktion muss ausreichend geklärt werden, mit dem Ziel, den Auslöser zu identifi- zieren. Eine Unterlassung kann schwere Reaktionen bei erneuter Exposition des Patienten zur Folge haben oder zu einer ungerechtfer- tigten Einschränkung der Thera- piemöglichkeiten führen. Verfahren zur Allergietestung Zur Testung einer allergischen Reaktion gegenüber Zahnmateria- lien wird heute als Standardverfah- ren der Epikutantest durchgeführt. Hierbei wird eine Serie von Test- pflastern auf die Haut geklebt, um festzustellen, ob eine Allergie gegen die getestete Substanz vorliegt.Die- ser Test zeigt, ob eine Kontaktaller- gie vom Spättyp vorliegt (Przybilla et al. 2008). Es sei hier auch ausdrücklich hervorgehoben, dass fertige Prüf- körper aus polymerisierten Mate- rialien nicht im Epikutantest ein- gesetzt werden können, da aus ei- genenUntersuchungenbekanntist, dass einige relevante Inhaltsstoffe aus Komposits erst nach ca. drei Monaten freigesetzt werden. Ein Epikutantest dauert aber nur drei Tage, weshalb hier diese Substan- zen damit gar nicht erfasst werden können. Andererseits ist bekannt, dass Allergien und Kreuzallergien durch Anwendung des Epikutantests erst getriggert werden können. Dies wäre beim Lymphozytentransfor- mations-Test (LTT) nicht der Fall, dakeinedirekteExpositionmitdem Allergen erfolgt (Guidelines for diagnosticvalidity2008).Aufgrund der von den Allergologischen Ge- sellschaften und vom Robert Koch- Institut proklamierten (derzeit) eingeschränkten Anwendung des LTT zur Testung von Zahnmate- rialien bei Patienten mit Unver- träglichkeiten/Allergien gegenüber dentalen Restaurationsmaterialien besteht allerdings derzeit keine Alternative zum Epikutantest für diese Materialien (Guidelines for diagnostic validity 2008). Für die Auswahl des verträg- lichsten Materials für den Patienten müssen alle eluierbaren Inhalts- stoffe, Reaktions- und Destruk- tionsprodukte getestet werden. Auch durch die relativ hohe Anzahl der zu testenden Substanzen kann der LTT nicht angewandt werden, da die Kosten dafür schon unbe- zahlbar werden würden. Oft wird zwischen dem Auftre- ten einer klinischen Symptomatik und dem Nachweis einer beste- henden Allergie im Epikutantest (ohne klinische Symptomatik) un- terschieden. Patienten sollten kein Material erhalten, aus dem Sub- stanzen freigesetzt werden können, gegen die der Patient eine im Epi- kutantest positive Reaktion zeigt. Dies ist unabhängig von seiner kli- nischen Symptomatik.Nach positi- ver Diagnostik im Epikutantest (erst in diesem Falle spricht man von einer nachgewiesenenAllergie) erfolgt die Ausstellung eines Aller- giepasses. Fachkollegen aus der Allergologie/Dermatologie führen an,wenneinPatientmiteinernach- gewiesenen bestehenden Allergie (ohne klinische Symptomatik) ei- nen Stoff erhält bzw. dem Stoff ständig exponiert ist, ist die Wahr- scheinlichkeit des Auftretens einer klinischen Symptomatik zu ei- nem späteren Zeitpunkt wesentlich höher. Patienten mit einer klinischen Symptomatik und positiven Epi- kutantest dürfen unter keinen Um- ständen ein Zahnmaterial erhalten, gegen das der Patient eine Allergie zeigt. Festzuhalten bleibt, dass es nicht allein entscheidend ist, ob der Patient eine klinische Symptomatik zeigt gegen ein aus Zahnmaterialien eluiertes Allergen oder nicht. Selbst indergemeinsamenStellungnahme derDeutschenGesellschaftfürZahn- erhaltung (DGZ) und der Deut- schen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) wird aufgeführt, dass ein Komposit kontraindiziert ist bei Patienten mit (klinisch) relevanten Allergien ge- genüberInhaltsstoffenvonKompo- sits bzw. Adhäsiven (Stel- lungnahme der DGZ und DGZMK 2005). DT Univ.-Prof.Dr.Dr.Franz-XaverReichl Poliklinik für Zahnerhaltung und ParodontologiederLMU;Walther- Straub-Institut für Pharmakologie und Toxikologie der LMU Nussbaumstraße26,80336München Tel.:089218073842,Fax:089218073841 reichl@lmu.de Kontakt ➟ Auswahl des verträglichsten Zahnmaterials Heute ist es möglich, aufgrund der vorhan- denen weltweit größten Datenbank nach dieser Allergietestung für den betroffenen Patienten das für ihn optimale, d.h. für ihn verträglichste Füllungsmaterial, vor einer anstehenden Zahnrestauration auszuwäh- len. Patienten mit bestehenden Allergien und Unverträglichkeitsreaktionen wird dringend empfohlen, vor einer anstehenden Zahnrestauration die zahntoxikologische Beratungsstelle an der LMU aufzusuchen (Hilfe bietet die „Internationale Bera- tungsstelle für die Verträglichkeit von Zahnmaterialien an der LMU München“, E-Mail: reichl@lmu.de). Abb.3:Linguaplicata–NebenwirkungenbeiPatientenmitKomposit/Adhäsiv-Applikationen.Linguaplicata(Faltenzunge)undLinguageographica(Landkartenzunge).–Abb.4:PeroraleDermatitis.PeroraleDermatitisnachAppli- kation eines Keramik-Inlays mit einem Adhäsiv. typische Lingua plicata = Faltenzunge typische Lingua geographica = Landkartenzunge