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DTGER0312

Aufgrund der Indikationseinschrän- kungen für Amalgam seit 1992 durch das Bundesinstitut für Arz- neimittel und Medizinprodukte (BfArM) sowie der gestiegenen äs- thetischen Ansprüche in der Bevöl- kerung werden in Deutschland zu- nehmend zahnfarbene Werkstoffe eingesetzt. Dabei soll natürlich ge- währleistet sein,dass diese Materia- lien nicht nur gut ausschauen und guthalten,sonderndasssieauchgut verträglich sind.Wachsendes Inter- esse erlangen deshalb Fragen nach der Toxikologie und Biokompati- bilität dieser Werkstoffe. (Ko)Monomerverbindungen werden in der Zahnmedizin, z.B. in Kompositzahnfüllungen und Dentinadhäsiven verwendet(Abb.1). Um ein gutes Handling zu erzielen, müssen den sehr zähen Monomeren z.B. Bisphenolglycidylmethacrylat (BisGMA), Urethandimethycrylat (UDMA), die „Verdünner“, also (Ko)Monomere wie Hydroxyethyl- methacrylat (HEMA) oder Triethy- lenglycoldimethacrylat (TEGDMA), beigefügt werden. Selbst bei op- timaler Belichtung werden nur etwa fünfzig Prozent der (Ko)- Monomere polymerisiert. Dem- entsprechend verbleibt immer ein Anteil freier Restmonomeren.Nicht polymerisierte Verbindungen kön- nen aus diesen Zahnwerkstoffen freigesetzt werden und nach der Resorption in den menschlichen Organismus gelangen. Testverfahren und Metabolismus Um die Toxikologie/Biokom- patibilität von Zahnwerkstoffen er- mitteln und vergleichen zu können werden bestimmte Tests eingesetzt, z.B. Tests auf Cytotoxizität, Muta- genität,Cancerogenität,Embryoto- xizitätoderTeratogenität.Einwich- tiger Aspekt bei der Bewertung der Toxikologie ist die Aufklärung der Resorption, Distribution, Metabo- lismus und Elimination einer Sub- stanz im Organismus. Nur resor- bierte Substanzen können Schad- wirkungen auslösen. Ein wichtiger Punkt ist die Aufdeckung des Meta- bolismus der zu untersuchenden Substanz. In Tierstudien mit radio- aktiv markierten (Ko)Monomeren konnte gezeigt werden, dass die aus Kompositen freigesetzten und ver- schluckten(Ko)MonomereHEMA, TEGDMA und BisG-MA vollstän- dig resorbiert und im Körper zu Kohlendioxid abgebaut werden (Reichl et al. 2001; Reichl et al. 2002 a,b,c; Reichl et al. 2008a; Durner et al. 2009; Durner et al. 2010c). Es konnte ferner gezeigt wer- den, dass bei dieserVerstoffwechse- lung Intermediate gebildet werden können,die ihrerseits wieder starke toxische Wirkungen zeigen kön- nen – also „gegiftet“ werden. Beim Abbau von HEMA und TEGDMA konnte in menschlichen Lebermi- krosomen sogar die Bildung des Epoxy-Intermediats 2,3-Epoxymeth- acrylsäure nachgewiesen werden (Seiss et al. 2007). Epoxy-Verbin- dungen gelten als kanzerogene und mutageneVerbindungen. Wegen der Detektion von Epo- xiden beim Abbau von (Ko)Mo- nomeren wurden weitere Unter- suchungen zur Mutagenität von Zahnmaterialien mit dem Comet- Assay durchgeführt. Mit diesem Testsystem ist es möglich, DNA- Schäden zu quantifizieren. Es konn- te in humanen Lymphozyten ein mutagenes/kanzerogenes Potenzial für TEGDMA, HEMA, BisGMA und UDMA nachgewiesen werden (Kleinsasser et al. 2004). In weite- ren Experimenten wurde mit dem „Fluoroszenz-Mäuse-Stammzellen- Test“ sogar ein teratogenes (frucht- schädigendes) Potenzial dieser Sub- stanzen bzw. des detektierten Inter- mediats 2,3-Epoxymethacrylsäure gefunden (Schwengberg et al.2005). In aktuellen Experimenten mit spe- ziellen Tests (Gamma-H2AX Test, TUNEL- und FADU-Assay) wurde die Fähigkeit zur Induktion von DNA-Doppelstrangbrüchen von BisGMA, UDMA, TEGDMA und HEMA in humanen Gingivafibro- blasten belegt (Abb. 2) (Urcan et al. 2010; Durner et al. 2010d). Zusätz- lich wurde die Caspase-3-Aktivität auf Einzelzellniveau sowie im Wes- tern Blot nachgewiesen. TEGDMA zeigte dabei ein deutlich früheres Auftreten von Apoptose als HEMA (Reichl et al.2006). Synergistische Wirkungen Wenn humane Zellen mit der Kombination TEGDMA + Peroxid (jeweilsinsubtoxischenKonzentra- tionen) exponiert werden, konnte sogar eine synergistische Zunahme der Toxizität von TEGDMA ge- funden werden (Franz Xaver et al. 2003 und Reichl et al. 2008). Per- oxide werden z.B. zur Desinfektion und zum Bleichen der Zähne (Blea- ching) eingesetzt (Franz Xaver et al. 2003). Bewertung dieser Befunde für den Menschen Zunächst ist festzuhalten, dass die vorangestellten Ergebnisse nur aufZellebenegeltenundeinedirekte Übertragung auf den Menschen nicht zulässig ist. Für eine wissen- schaftlich fundierte Risikoabschät- zungmussbekanntsein,wievielvon einer Substanz aus den Materialien freigesetzt wird, wie viel tatsächlich vom Organismus resorbiert wird und ab wann mit gesundheitlichen Problemen bei Betroffenen zu rech- nen ist. (Ko)Monomere erreichen im Speichel des Menschen nach der Elution aus Kompositfüllungen maximal „nur“ mikromolare Kon- zentrationen. Die oben beschriebe- nen toxischen Wirkungen dieser Stoffe treten jedoch erst im milli- molaren Bereich auf. Das heißt, das Risiko einer toxikologischen Gefähr- dung für den Menschen ist heute als sehr gering einzustufen. Abb.1: (Ko)Monomere – Inhaltsstoffe von Komposit-Zahnmaterialien. Abb. 2: H2AX-Test – Gamma-H2AX-Test zum Nachweis von Doppelstrangbrüchen in menschlichen Gingivafibroblasten nach Exposition von Methacrylaten. Jeder Lichtspot (Focus) repräsentiert einen stattgefundenen DNA-Doppel- strangbruch.Kontrolle mit Medium:Wenig bis keine Foci.Exposition mitTEGDMA: Einige Foci.Exposition mit BisGMA: viele Foci. International Science DENTALTRIBUNE German Edition · Nr. 3/2012 · 7. März 20124 Toxikologie von Zahnkunststoff-Materialien – was darf ich verwenden? Mit wachsendem Interesse der Patienten an zahnfarbenen Füllungsmaterialien steigt auch das Interesse an Fragen zur Toxikologie und Biokompatibilität dieser Werkstoffe. Im Folgenden werden verschiedene Testverfahren und aktuelle Studien näher vorgestellt. Von Univ.-Prof. Dr. Dr. Franz-Xaver Reichl, München. ➟