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Dental Tribune Austrian Edition

Die demografische Entwicklung wird in absehbarer Zukunft ver- stärkt dazu führen, dass immer mehr ältere und betagte Menschen nicht nur medizinische, sondern auch zahnmedizinische Leistungen in Anspruch nehmen werden.1,2 Das zahnärztliche Team hat im Gegensatz zum Hausarzt das Pri- vileg, seine Patienten regelmäßig sehen und pro Kontroll- oder Be- handlungstermin über einen län- gerenZeitraumbeobachtenzukön- nen. Infolgedessen wären für jede FachpersonderzahnärztlichenPra- xis die zeitlichen Voraussetzungen gegeben, einen Beitrag zur Früher- kennung von alternsspezifischen, auch für die Mundgesundheit rele- vanten medizinischen und psycho- sozialen Defiziten zu leisten. Ge- sundheitszustand und Ressourcen des alternden Menschen könnten besser eingeschätzt und zahnmedi- zinische Fehldiagnosen sowie Fehl- behandlungeninfolgezuengfokus- sierter, monodisziplinärer Fallana- lyse häufiger vermieden werden. Zudem könnten die Patienten frü- her einer multidimensionalen so- wie multidirektionalen Abklärung und Intervention zugeführt wer- den, sodass sich Einbußen physi- scher und psychischer Funktionen eher vermeiden bzw. hinauszögern ließen.3 Die Notwendigkeit der mehrdi- mensionalen, interdisziplinär ver- netzten Diagnostik, Therapie und Langzeitbetreuung alternder Men- schen wird am Beispiel möglicher Interaktionen zwischen der oralen Infektionskrankheit Parodontitis und kardiovaskulären Erkrankun- gen, Diabetes mellitus, rheumato- ide Arthritis und Atemwegsinfek- tionen deutlich.4 Zudem können im Alter häufig auftretende Krankheiten, wie De- pression, Demenz, Malnutrition oder Polypharmakotherapie, Aus- wirkungenaufdieoraleGesundheit haben.3 Theoriebildung und Ausrichtung Leider wird die Alterszahnme- dizin immer noch als ein Spezialge- biet verstanden, das hauptsächlich den institutionalisierten Betagten betrifft. Dabei wird übersehen, dass der Übertritt in ein Alters- oder Pflegeheim die Folge von zuvor auf- getretenen Defiziten und Erkran- kungenist.DiefrühzeitigeDiagnose und die konsequente Therapie die- ser Krankheiten sind somit für die Langzeitprognose der betroffenen Menschen von entscheidender Be- deutung. Das zahnärztliche Team kann einen wirksamen Beitrag zum medizinischen Assessment des al- ternden Menschen leisten.3 Mehrdimensionale, auf die Mundgesundheit bezogene Diagnostik Die Anamnese hat eine zentrale Bedeutung für die Erfassung beste- hender oder neu auftretender Defi- zite. Dabei fällt der gleichzeitig ab- laufenden Patientenbeobachtung eine diagnostische Rolle zu, indem Auffälligkeiten oder Veränderun- gen im Erscheinungsbild bzw. im VerhaltenHinweiseaufgesundheit- liche Defizite geben können.3 ZukunftsbereichGerostomatologie:MehrdimensionalesScreening ältererPatienteninderZahnarztpraxis Das zahnärztliche Team kann einen wirksamen Beitrag zum medizinischen Assessment des alternden Menschen leisten. Gesundheitszustand und Ressourcen könnten so besser eingeschätzt und zahnmedizinische Fehldiagnosen vermieden werden. Von Prof. Dr. Christian E. Besimo, Brunnen, Schweiz. Resilienz Fähigkeit zur Wiederherstellung des früheren psychischen Anpassungs- und Funktionsniveaus (z. B. Verarbeitung größerer zahnärztlicher Eingriffe) Plastizität lebenslange Steigerungsfähigkeit der körperlichen und geistigen Leistung (z. B. Adaptation an neuen Zahnersatz) Bewältigungsstile assimilative (kurative): Handlungen zur Reduktion der Problembelastung (z. B. Zerkleinerung oder Aufweichen von Nahrungsmitteln bei Kauproblemen) akkomodative (palliative): Setzen neuer Standards der Selbstbewertung (z. B. positive Umdeutung von Zahnverlust und Zahnersatz) Selektive Optimierung Selektion (z. B. von Mundhygienemaßnahmen) und Kompensation SOK Optimierung (z. B. Trainieren und somit Verbessern bereits ausgeübter Mundhygienemaßnahmen) Kompensation(z.B.Ersatznichtmehrbeherrschbarer durch einfachere Mundhygienemaßnahmen) Tab.1: Bewältigungsstrategien imAlter. ➟ Tätigkeitsbereich Checkliste Zahnärztliche Diagnostik/Therapie Verantwortliche Personen Zahnarzt Verantwortliche Person: Beobachtungsdatum: Patientendaten Name: Vorname: Geb.datum: Auffälligkeit / Veränderung im Verhalten bzw. Erscheinungsbild des Patienten Beispiele Bemerkungen Erscheinungsbild Bekleidung Körperpflege Mundgeruch (z. B. Alkohol, Aceton) körperliche Beeinträchtigung Gewicht/Gewichtsverlust Stimmungslage gedrückte Stimmung, negative Einstellung Interessensverlust, Motivierbarkeit Freudlosigkeit, Hilf- und Hoffnungslosigkeit erhöhte Ermüdbarkeit Verminderung des Antriebs, Denkhemmung Verhalten umständlich, weitschweifig motorische Unruhe reduzierte Aufmerksamkeit affektlabil, eher affektarm, ratlos Verwirrtheit, Angst, Halluzinationen, Wahn plötzliche Veränderungen während Behandlung Zeitliche Orientierung Datum, Wochentag, Monat, Jahr Zeitverschiebung Räumliche Orientierung An- und Rückreiseweg, Stockwerk, Praxis Durchführung von Hygienemaßnahmen Gedächtnis Merkfähigkeit (Name der Dentalassistentin/Dentalhygienikerin/Prophylaxe- assistentin/des Zahnarztes, Behandlungsgrund/ -ablauf, Hygieneinstruktion, Auskunft, Aufklärung) Erkennen, Verständnis Erkennen und Anwenden von Gebrauchs- gegenständen (Spülglas, Speibecken, Hygieneinstrumente/-verordnung, Zahnersatz) Exekutive Kognition Planung/Durchführung komplexer Prozesse Abstimmung der Aufmerksamkeitsressourcen Multi-Tasking gleichzeitige Ausführung mehrerer Aufgaben stops walking when talking, Prothesenhandling Gangsicherheit Gangvariabilität Gleichgewichtsstörung Beweglichkeit, Schwäche Hilfsmittel (Stock, Rollator) Sprachfähigkeit Lesefähigkeit Vorlesen von Aufklärungs-/Merkblatt oder Hygiene-/Medikamentenverordnung Schreibfähigkeit Notieren von Informationen Begleitung Betreuungs-/Hilfsbedürftigkeit Soziales Umfeld Verlust von Angehörigen Wohnsituation Abb.1: Checkliste zur Patientenbeobachtung für Zahnärzte. International Science DENTALTRIBUNE Austrian Edition · Nr. 1+2/2012 · 1. Februar 20124