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Dental Tribune Austrian Edition

Der Wunsch nach Verschönerungs- maßnahmen im Mundbereich findet sich in der frühesten Menschheitsge- schichte. So wurden zum Beispiel bei den Inkas die Zähne mit Lapislazuli- SteinchenimSinnederheutigenSkyces verschönert oder es finden sich mit derPfählungderUnterlippebeigewis- sen lateinamerikanischen Urstämmen VorläuferderheutigenPiercings.Auch rituelle Perforationen, wie sie in Asien angetroffen werden, oder Lippenteller in Afrika, stehen der heutigen Pier- cingkultur sehr nahe. Es finden sich Formen von oralen Tätowierungen in menschlichenUrkulturen,sozumBei- spiel in Afrika, wo sich gewisse Volks- gruppen das Zahnfleisch dunkel ein- färben. Sogar der Wunsch nach „Dra- cula-Eckzähnen“ ist nicht so modern, wie das weitläufig angenommen wird. Auch hier finden sich Kulturen, die mit primitivsten Methoden die Front- zähne zuspitzen, um ihrem Gesicht einen kriegerischen Ausdruck zu ver- leihen. Es gibt demzufolge in der mo- dernenGesellschaftkaumeinenMund- schmuck,der keineVerwandtschaft zu einer frühen menschlichen Kultur hat. Vielleicht einzige Neuentwicklung im BereichMundschmuckistdasEinbrin- gen von Leuchtkörpern in die Mund- höhle. Diese Zierde ist vor allem bei Discobesucherngefragt. Der vorliegende Artikel versucht einenaktuellenÜberblicküberMund- schmuckarten zu vermitteln. Zudem werden mögliche Risiken und Kom- plikationen, die durch das Tragen von Mundschmuckerfolgen,aufgezeigt. Motivation für Mundschmuck Die Motivation zur Eingliederung von Mundschmuck ist sehr vielfältig. Während früher gewisse Körperver- änderungen im Mundbereich für die Status- und Gruppenzugehörigkeit wichtig waren, will man heute mit der Mundzierde entweder die eigene Schönheitbetonenoderaberprovozie- rend auf andere Menschen wirken. NichtseltenwirdMundschmuckinder späten Pubertät eingesetzt, um den SchmuckalsAbgrenzungzudenEltern zu tragen. Es gibt zahlreiche Unter- suchungen, die versuchen, den Zu- sammenhang von psychischen Eigen- schaften und Piercings zu analysieren. Es zeigt sich, dass Piercingträger eher eine Tendenz zur Extrovertiertheit, zu Genuss-undSuchtmittelabusushaben und im Allgemeinen risikofreudiger sind, z.B. was die Ausübung von Risi- kosportartenbetrifft.DieAuswahlvon Mundschmuck ist heute vielfältiger denn je. Eine Übersicht bezüglich ak- tuellenMundschmuckartenundderen RisikenfindetsichinTabelle1. Allgemein rechtliche Informationen zu Mundschmuck Jeder Mundschmuck, sofern er festsitzend eingegliedert wird, stellt einen Eingriff in die körperliche Inte- grität dar.Deshalb braucht es bei min- derjährigen Personen für die Einglie- derung von Mundschmuck, sei es die adhäsive Befestigung von künstlichen Diamäntchen (Skyces) beim Zahnarzt oder sei es das Setzen eines Piercings imTattoo-undPiercingstudio,dieEin- willigungdesErziehungsberechtigten. Tattoo-undPiercingstudiosunter- liegen in der Regel der nationalen Ge- setzgebung. Darin werden die Richtli- nien für die Hygienepläne der Studios und auch Qualitätsstandards für Täto- wierfarben festgehalten. Die Kontrolle dieser Richtlinien stellt sich als schwie- rig heraus. Im Oktober 2011 wurde erneut eine Stichprobenkontrolle von Tätowier- und Permanent-Make-up- (PMU-)Farben in der Schweiz vorge- nommen.DabeimusstenzahlreicheFar- benalsmangelhaftbisgesundheitsschä- digendeingestuftwerden(Tabelle2). Der Piercer sollte einen Gesund- heitsfragebogen haben und spezifisch nach möglichen Risikoerkrankungen wie Herzfehler fragen. Da der Piercer nicht über eine medizinische Ausbil- dung verfügt, ist es ihm in der Schweiz untersagt,Lokalanästhetikazuverwen- den. Deshalb wird bei der Piercingset- zung höchstens mit Eis gekühlt, wobei die meisten Patienten berichten, dass z.B.das Zungenpiercing ohneVerwen- dung von Anästhetika gesetzt wurde undderVorgangrelativschmerzfreisei. Offensichtlich reicht der „Adrenalin- schub“ aus, dass die Schmerzen kurz- zeitig nicht sehr intensiv wahrgenom- men werden.Einige Patienten empfin- den die Eingliederung des Schmuck- stückessogaralsanregend. Der Zahnarzt sollte das Prinzip „primum nihil nocere“ bei allen Pa- tientenwünschennieaußerAchtlassen. Dies bedeutet konkret,dass ein Präpa- rieren einer intakten Zahnoberfläche für das Einbringen eines echten Edel- steins definitiv entgegen dieser Ehr- bekundung steht. Anders sieht es aus, wenn echte Edelsteine in Prothesenar- beiten, Kronen oder Füllungen befes- tigtwerden.HingegenmussderPatient vorinformiert werden, dass die echten Edelsteine,wennsieineinFüllungsma- terial eingearbeitet werden, nur wenig Lichterhaltenunddeshalbnureinege- ringe Leuchtkraft entwickeln. Gerade größere farbige Edelsteine, wie zum BeispielRubine,könnendannwieeine Kariesaussehen.DieskannamBeispiel vonSängerMikeHucknallderGruppe SimplyRedillustriertwerden. InformationenzuoralenPiercings Die allgemeinen Risiken, bezüg- lich Nebenwirkungen bei Piercing- setzung, werden oftmals nicht richtig eingeschätzt. Bei einer Umfrage von KrauseundMitarbeiternimJahre2000 bei 273 Personen, die mindestens ein Piercing im Kopfbereich hatten (total 699 Piercings; Ohrläppchen ausge- schlossen),wurdeeinewesentlicheHäu- fung von Komplikationen festgestellt. Neun Personen mussten wegen dem Piercing hospitalisiert werden, 42 Per- sonen suchten denArzt auf,38 Patien- tenerhielteneinRezeptausgestelltund 18 erhielten einArztzeugnis.Dass auf- grund dieser Zahlen deutsche Ärzte ein totales Piercingverbot bei Minder- jährigenfordern,istdeshalbnichtwei- terverwunderlich.Dabeimussergänzt werden, dass heute jedes fünfte Mäd- chen bis einjährig in Deutschland be- reits gepierct ist.Die häufigsten Stellen sind die Ohrläppchen, wobei die An- zahlgepiercterNasenflügelsteigendist. Im Mundbereich können zu den allgemeinen Komplikationen, die bei Piercingsauftretenkönnen,zusätzliche Risiken festgestellt werden. Mehrere Arbeitenkonntenzeigen,dassZungen- piercingsdieGefahrvonZahnfrakturen speziell im Frontzahnbereich deutlich erhöhen(Abb.1,Seite6).Dabeigilt,dass je länger der Steg des Schmuckstückes istundjeanteriorerdasPiercinggesetzt wurde, umso höher ist das Risiko für Zahnschäden. Wird das Piercing frisch gesetzt, wird meistens ein längerer Steg gewählt, da die Zunge direkt nach der Piercingsetzungstarkanschwellenkann. Nach einer Abheilphase von ca. zwei WochenkanndasEinheilpiercing durch ein kürzeres Schmuckstück ersetzt werden. Wichtig ist, dass der Zahnarzt versucht, den Patienten auf mögliche „Habits“zusensibilisieren.BeiZungen- piercings kann häufig beobachtet wer- den,dassderPatientaufdemSchmuck- stück herumkaut. Dieses Herumkauen führtnichtnurzuSchädenanderZahn- hartsubstanz,sondernwennderPatient eine bevorzugte Stelle hat, wo er das Piercing zwischen die Zähne hält,dann kanndasPiercingwieeinekieferortho- pädische Apparatur funktionieren und zuDiastemabildungführen. Das Lippenpiercing besteht meis- tens aus einer Auflage oral und einem Kugelverschluss extraoral. Es werden im Lippenbereich aber auch Ringe an- getroffen.DieBewegungenderAuflage über Zahn und Zahnfleisch führt zu ➟ International Science DENTALTRIBUNE Austrian Edition · Nr. 12/2011 · 7. Dezember 20114 Mundschmuck Lokale Komplikationen Systemische Komplikationen* Skyce Debonding, Verfärbung Randbereich Aspiration, Verschlucken Dazzler & Twinkles Debonding, Verfärbung Randbereich, Aspiration, Verschlucken erhöhte Plaqueakkumulation um Schmuckstück Echter Edelstein Debonding, Verfärbung Randbereich, Aspiration, Verschlucken Verletzung Zahnoberfläche durch Präparation Zahntattoo Löst sich selbst sehr rasch ab Verschlucken, Aspiration unwahrscheinlich Piercing Schmerzen, Blutung, Infektionen, Zahnfrakturen, Endokarditis, Tetanus, Artikulationsbehinderung, Gingivarezessionen, Narbenbildung Schluckbeschwerden, Infektionskrankheiten (HIV, Hepatitis etc.), Aspiration, Verschlucken Tätowierung Schmerzen, Schwellung, Infektionen Infektionskrankheiten Permanent-Make-up Schmerzen, Schwellung, Infektionen Infektionskrankheiten, allergische Reaktionen Lip-Stickers Sehr limitierte Haltbarkeit, eingeschränkte Lippensensibilität Caps & Grillz Entzündungen Gingiva, Zahnfrakturen, Rezessionen Aspiration, Verschlucken Leuchtkörper Zahnfrakturen, Rezessionen Gingiva Allergische Reaktionen, Verletzungen durch (nur bei längerem Tragen) Bestandteile Tray Dracula-Zähne aus Verletzungen Lippe, Abfrakturen Komposit, Komposit Verfärbungen *EineallergischeReaktionistgrundsätzlichaufalleFremdmaterialieninderMundhöhlemöglichundwurdedeshalbinderTabellenichtspezifischaufgeführt. Tabelle 1: Mundschmuckarten und ihre Risiken (eineAuswahl). OraleModetrendsundihreFolgen:EinemultidisziplinäreHerausforderung Mit der gesellschaftlichen Akzeptanz von Piercings im Mund- und Gesichtsbereich steigen auch die Anforderungen bezüglich Informationsvermittlung und spezieller Mundhygieneinstruktionen durch das zahnärztliche Team. Bei Komplikationen ist ein multidisziplinäres Wissen des Teams gefordert. Von Dr. Brigitte Zimmerli, Schweiz. Anzahl untersuchte Proben Beanstandet Anwendungsverbot gesamt 190 96 (51%) 63 (33%) Tätowierfarben 167 88 (53%) 61 (37%) PMU-Farben 23 8 (35%) 2 (9%) Beanstandungsgründe Gesamt Tätowierfarbe PMU* Deklaration unerlaubte Stoffe 21 21 – Analyseresultate 59 57 2 Erhöhter Nitrosamin-Gehalt 17 15 2 Nicht deklarierte Inhaltsstoffe 98 90 8 Falsche Deklaration 83 79 4 *PMU: Permanent-Make-up Tabelle 2: Stichprobenkontrolle von Tätowier- und Permanent-Make-up-Farben 2011 (nach Dr. U. Hauri, Kantonales Laboratorium Basel/ CH; Kampagne der Kantonschemiker.