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Dental Tribune Austrian Edition

infektion der infizierten Pulpahöhle. AusgedehnteSpülungenmitNaOClha- ben einen guten desinfizierenden und gewebsauflösenden Effekt.11,12,20,33 Es sind Fälle beschrieben, bei denen nur durch NaOCl-Spülungen und einem anschließenden Kronenverschluss eine Pulparegeneration erreicht werden konnte.29 Oft sind jedoch die pathogenen Erreger in den Pulpahöhlen mit NaOCl alleine nicht zu beseitigen. Besonders bei längerer Zeit schon gangränösen Zähnen sind die Erreger in die Dentin- wände eingedrungen.29,32 Eine Analyse der Erreger bei infizierten Pulpen er- möglicht den Einsatz von keimspezi- fisch wirkenden Antibiotika zur Desin- fektionvonPulpahöhlen.27,31 Einsolches Vorgehen wurde Ende des letzten Jahr- tausends für infizierte Milchzahnpul- pen vorgeschlagen.17,27 Bei diesem Ver- fahrenwerdendieErregerindenPulpa- höhlen mit einer Mischung aus drei, dem spezifischen Erregerspektrum an- gepasstenAntibiotika(Tri-Antibiotika- pasten)eliminiert.DiefürdiesesVorge- hen verwendete Antibiotikamischung isteineKombinationvonCiprofloxacin, Metronidazol und Minocycline. Diese MischunghatsichimklinischenEinsatz auchbeiMilch-undbleibendenZähnen als sehr wirkungsvoll bei der Elimina- tion von Keimen in den infizierten Pul- pahöhlen erwiesen.31,32,33,36 Aufgrund der starken Tendenz, das behandelte Dentin grünlich zu verfärben, wird das zur Wirkstoffklasse der Tetrazykline gehörende Minocyclin seit einiger Zeit auchdurchCefuroximoderauchAmo- xycillin ersetzt.21,26 Sato et al.27 haben in einer Studie zu der Wirksamkeit ver- schiedener Antibiotika gezeigt, dass Amoxycillin ein sehr ähnliches Wir- kungsspektrum wie Minocyclin hat. Es gibt aber auch Berichte von Verfärbun- gen bei der Verwendung von Amoxy- cillin in Tri-Antibiotikapasten.20,25 Da Amoxycillin zur Gruppe der -Lacta- mat-Antibiotika gehört, ist bei der großen Zahl der Penizillinallergien von einer Verwendung in der Pulpahöhle – welche Sensibilisierungen auslösen kann–abzusehen.DieVerwendungvon Cefuroxim anstelle des verfärbenden Minocyclin scheint zurzeit der beste Ersatzzusein.12,34,35 Wird das Tri-Antibiotikapulver statt mitWasser mit Propylenglykol an- gemischt, ermöglicht dies eine deutlich tiefere Penetration der antibiotischen Wirkstoffe in das bakterienbelastete Dentin. Dem hygroskopischen Propy- lenglykolwirdzurStabilisierungzudem fettendesMacrogolbeigemischt.10 Nach erfolgter Desinfektion der Pulpahöhlen und Ausspülen der AB- Mischung mittels NaOCl wird durch mechanischeReizungdesvitalenapika- len Gewebes eine Blutung in die Pulpa- höhle provoziert. Diese Einblutung in den Kanal wird ca. 3 bis 4 mm unter der Schmelz-Zement-Grenze mittels Wattepellets gestoppt.Ein so gebildetes Blutkoagulum wird mit einem MTA- oder PZ-Plug verschlossen.11,15,25,32 Be- sonders vorteilhaft kommen dann die sehr gut dichtenden und bioverträg- lichen Eigenschaften des MTA/PZ zum Tragen.PZhatgegenüberdemMTAbei Frontzähnen den Vorteil, weniger Ver- färbungen zu verursachen.5,11 Aus dem so generierten Blutkoagulum entsteht neuesintrakanaläresErsatzgewebe.Das Koagulum dient dem einwachsenden, mehr dem Zement als dem Dentin gleichenden Gewebe als Leitstruktur. Dieses Ersatzgewebe kann zu weiterem Dickenwachstum der Dentinwände, einem Zahnlängenwachstum und ei- ner Apexbildung an der Wurzelspitze führen.11 Der folgende Fallbericht be- schreibt das Vorgehen bei einer rege- nerativenendodontischenBehandlung mit Tri-Antibiotikapaste (Mischung von Ciprofloxacin, Metronidazol, Ce- furoxim), welche als Medikament zur Desinfektioneinerdevitalen,infizierten Pulpaeingesetztwerden. Fallbericht EinJungeimAltervonsiebenJahren und vier Monaten erlitt mit seinem FahrradeinenUnfallmitTraumafolgen im Gesicht. Neben Schürfungen an LippeundKinnhattederJungeamZahn 11 eine Schmelz-Dentin-Fraktur ohne Pulpabeteiligung und am Zahn 21 eine Dislokationsverletzung mit Verlage- rung des Zahnes nach koronal. Bereits eineStundespäterkonntebeieinerKin- derzahnärztin eine Notfallversorgung vorgenommen werden. Die allgemein- medizinische Krankengeschichte des Patienten war unauffällig und eine frü- her durchgeführte Tetanusprophylaxe war noch wirksam. Zu Beginn der Notfallbehandlung wurden die Zähne 11 und 21 mittels Lokalanästhesie mit 1,2mlUltracain®(Sanofi-Aventis,Paris, Frankreich) versorgt. Nach einer aus- reichenden Wartezeit wurde der Zahn 21 mit sanftem Fingerdruck in seine ursprüngliche Position reponiert. Mit derSäure-Ätztechnik(UltraEtch,Ultra- dent, South Jordan, USA; Tetric-Flow, IvovlarVivadent, Schaan, Liechten- stein) und einer gestanzten Titanfolie (TTS-Schiene,Medartis,Basel,Schweiz) wurde der Zahn 21 geschient. In den Schienungsverband wurden die Zähne 53, 11, 21, 63, 64 einbezogen. Da zum Zeitpunkt des Unfalls die Zähne 12 und 22 gerade im Durchbruch waren, konnten diese Zähne nicht in die Schie- nung mit einbezogen werden. Die Schmelz-Dentin-Wunde am Zahn 11 wurde nicht versorgt. Der Patient wurde begleitend mit Hygiene- und Verhaltensinformationen entlassen. Eine Unfallnachkontrolle am nächsten Tag zeigte eine normale Wundheilung. Nach zehn Tagen wurde die Schiene entfernt. Die Wundheilung war weiter- hinnormal. BeieinerKontrolleweiterevierWo- chen später bemerkte die behandelnde Zahnärztin eine erhöhte Zahnbeweg- lichkeit sowie eine Fistelbildung bukkal an Zahn 11. Es erfolgte eine Überwei- sung an die Station für Kinderzahn- medizinderUniversitätZürich. 1.Nachkontrolle Bei der ersten Kontrolle ergab sich hier folgendes Bild: Der Zahn 21 war normal beweglich und zeigte keinerlei Anzeichen von Unfallfolgen. Der Zahn 11zeigteeineSchmelz-Dentin-Fraktur, stark erhöhte Zahnbeweglichkeit sowie einen Fistelausführungsgang bukkal des Zahnes 11. Ein bereits durch die überweisende Kinderzahnärztin an- gefertigtes Röntgenbild zeigte beide Frontzähne mit weit offenen Wurzel- verhältnissen, großen Pulpahöhlen und dünnen Wurzeldentinwänden. Apikal des Zahnes 11 ist auf dem Rönt- genbild eine osteolytische Zone zu er- kennen. Die Diagnose war eine Pulpa- nekrose bei Zahn 11 mit infiziertem Wurzelkanal,einerdamitverbundenen chronisch periapikalen Entzündung sowieeinerFistelbildunganderGrenze der beweglichen Gingiva apikal von Zahn11. Als Ursache dieser Erkrankung steht das vor sieben Wochen erlittene Trauma im Vordergrund. Nach Abwä- gen der Vor- und Nachteile erscheint eine regenerative, endodontische The- rapie von Zahn 11 am erfolgverspre- chendsten. Therapie DerZahn11wurdemitKofferdam isoliert.DasArbeitsgebiet und das um- gebende Kofferdamfeld werden jeweils vordenweiterenBehandlungsschritten mit 1 % NaOCl-Lösung desinfiziert. MithilfeeinerLupenvergrößerungwird beim Zahn 11 ein Arbeitszugang zum Pulpakavum präpariert. Es konnte ein einziger großlumiger Wurzelkanal identifiziert werden. Aus dem Kanal ergoss sich nach der Eröffnung ein blu- tiges, purulentes Exsudat. Der Kanal wurde dann mit 60 ml 1 % NaOCl- Lösung gespült. Die abgerundete, nur seitlich geöffnete Spülnadel (HAWE Irrigation Probe,Gauge 23,Hawe Neos SA, Gentillino, Schweiz) wurde dabei um 2 mm weniger als die auf demAus- gangsröntgenbild gemessene Wurzel- längeeingeführt.Eswurdestriktdarauf geachtet, beim Spülen keinen Druck aufzubauen, damit keine Spüllösung über den Apex gepresst wird. Danach wurde das Kanallumen mit sterilen Papierspitzenvorsichtiggetrocknet.Die Antibiotikamischung(20mgCiproflo- xacin,40 mg Cefuroxim,40 mg Metro- nidazol,Macrogol/Propylenglykol,von derKantonsapothekeZürichhergestellt) wurde vorbereitet (gemäß Anleitung, Kapselpulver und Tubeninhalt zu einer dicken Paste angemischt). Diese Paste wurde vorsichtig mit einem Lentulo in den Wurzelkanal bis ca. 3 mm vor den Apex einrotiert. Nach einer Säuberung der Krone wurde der Zahn mit 3 mm Cavit(ESPE,Seefeld,Deutschland)ver- schlossen. 2.Nachkontrolle Die nächste Kontrolle fand drei Wochen nach der ersten Einlage statt. Der Patient berichtete, dass er nach der BehandlungkeineBeschwerdenbemerkt hatte. Klinisch waren zum Zeitpunkt der Nachkontrolle die pathologische BeweglichkeitsowiedieFistelmündung verschwunden. Der Gingivaverlauf um den Zahn 11 herum war entzündungs- freiundnormalgerötet. Nach einer Anästhesie wurde der Zahn wieder mit Kofferdam isoliert undderprovisorischeVerschlusswurde entfernt. Die Pulpahöhle wurde sanft mit 30 ml NaOCl gespült und dann getrocknet. Mit einem Nickel-Titan- Handspreader(Gauge25Niti-Spreader, DENTSPLY Maillefer, Ballaigues, Schweiz) wurde das apikale Gewebe über den offenen Apex hinaus mecha- nisch irritiert und eine Blutung provo- ziert.Die Irritation des Gewebes wurde sofort gestoppt, als Anzeichen einer Blutung bemerkt wurden. Mit sterilen Wattepellets wurde das aufsteigende Blutbeica.3mmunterderSchmelz-Ze- ment-Grenze gestoppt. Der danach durchdieGerinnungentstehendeBlut- pfropf soll dann die Basis für ein biolo- gisches Gerüst für die erhofften regene- rativen Prozessebilden.NacheinerWar- tezeit von 15 Minuten wurde der Blut- pfropf mit einem 3mm starken Stopfen weißen medizinischen Portlandzement (MedcemGmbH,Weinfelden,Schweiz) verschlossen. Auf den noch feuchten Zement wurde ein steriles Kunststoff- pelletgebrachtunddieKavitätmitCavit versorgt. DefinitiveVersorgung Weitere drei Wochen später kam der Patient zur definitiven Versorgung des Zahns. Nach der Entfernung des provisorischen Füllmaterials und des Kunststoffpellets wurden die Schmelz- ränder finiert und mit der Säure-Ätz- TechnikmitKomposit(Tetric®,Ivovlar- Vivadent, Schaan, Liechtenstein) ver- schlossen sowie die frakturierte Stelle versorgt. Zum Schluss wurde noch ein Röntgenbild angefertigt. Die folgenden 18 Monate wurde der Zahn viermal nachkontrolliert. Während dieses ge- samten Zeitraumes war der Patient be- schwerdefrei. Klinisch konnten bereits zwei Monate nach demVerschluss erste Sensitivitätszeichen ausgelöst werden. Diese blieben weiterhin eindeutig. Klopfschall, Beweglichkeit und Gingi- vaverlauf waren die ganze Zeit über un- auffällig. Die Farbe des Zahnes war im VergleichzumnichtbehandeltenNach- barzahn etwas opaker. Die radiologi- schen Kontrollen zeigten eindeutige ZeichenvonweitererWurzelreifungso- wieeinerLängenzunahme,einerEinen- gungdesKanallumensundderBildung einer Wurzelspitze. Die periapikale Knochenläsion am Zahn 11 war in zwei Monaten ausgeheilt. 18 Monate post- therapeutischkonnteradiologischkeine Differenz zum nicht behandelten und spontan obliterierten Zahn 21 ausge- machtwerden. Diskussion Bereits 1961 hatte Nygaard-Østby erste Untersuchungen zur regenerati- ven Endodontie unternommen.32 Die Ergebnisseführtenabernurinwenigen FällenzufunktionsfähigenPulpa-Den- tin-Komplexen. Die gegenwärtige For- schung zur regenerativen Endodontie beschäftigt sich mit den verschiedens- ten Schwerpunkten: Wurzelkanalre- vaskularisation, postnatale Stamm- zellentherapie, Pulpaimplantationen, Proteingerüstimplantationen (scaffold implants), Gefäßbestandteilsinjektio- nenindiePulpahöhle,dreidimensiona- les Cell-printing und Gene-Transfer- Methoden.32,37 Den Klinikern bleibt die Aufgabe, aus diesen zum großen Teil noch im Versuchsstadium stehenden Methoden ein alltagstaugliches Ver- fahren auszuwählen. Zahlreiche Fall- berichte über erfolgreiche,regenerative endodontische Behandlungen zeigen, dassesmitderobenskizziertenMetho- de zu einem grundlegenden Behand- lungswechsel bei devitalen unreifen Zähnengekommenist.Hargreavesetal.15 weisen auf einige grundlegende Beob- achtungenhin. Erstens ist ein weit offener Apex eine physiologische Notwendigkeit zum Wiedereinwachsen des Gewebes. Zweitens ist das jugendliche Alter eines Patienten Voraussetzung für die Exis- tenz von Stammzellen in der Apexre- gionderZähne. Drittens erscheint es sehr wichtig, die Kanalwände nicht mechanisch zu bearbeiten. NaOCl scheint hierbei das idealeSpülmittelzusein. Viertens sollte Ca(OH)2 unbedingt als Einlagemittel vermieden werden. Es herrscht Einigkeit in der Literatur, dass Ca(OH)2 im Wurzelkanal zellto- xisch auf die Stammzellen in der Apex- region und denen der apikalen Papille wirkt.15 In allen Studien, in welchen Ca(OH)2zurKanalsterilisationverwen- det wurde, fand kein Wurzeldentin- Dickenwachstum statt.15,32 Fünftens State of the Art ENDOTRIBUNE Austrian Edition · Nr. 12/2011 · 7. Dezember 201118 Á Fortsetzung von Seite 17 Abkürzungen MTA = Mineral Trioxid Aggregate PZ = MedizinischerPortlandzement Ca(OH)2 = Kalzium-Hydroxid-Paste NaOCl = Natrium-Hypochlorit-Lösung Abb.6: Situation eineWoche nach dem Unfall. – Abb.7: Situation zweiWochen nach der Sterilisation, vor der SAT-Versorgung. – Abb.8: Situation vor SAT-Versorgung (die Fistel ist verschwunden).– Abb.9: Situation 16 Monate nach dem Unfall. 6 7 98