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Dental Tribune Austrian Edition

vor,ergibtsichderBedarf anweiterfüh- rendendiagnostischenMaßnahmenim SinnederErfassungeinesvollständigen Parodontalstatus. Die obligaten Paro- dontalbefunde umfassen hierbei die Erhebung von Sondierungstiefe, Re- zession, Furkation, Zahnbeweglichkeit und Blutung auf Sondieren (BOP) für jeden einzelnen Zahn. Die weiterfüh- rendeDiagnostiksolltehierbeiebenfalls eine radiologische Befundung – bevor- zugt in Form von Einzelzahnfilmen in Parallelwinkeltechnik–beinhalten. SowohlSondierungstiefenalsauch Rezessionen sollten bei der Erhebung des Parodontalstatus an sechs Mess- stellen erhoben werden, um eine weit- gehend präziseVorstellung der Defekt- morphologie zu erhalten. Aufgrund der teilweise sehr komplexen Zahn- morphologie mehrwurzeliger Zähne hatsichdieVerwendungeinerspeziellen FurkationssondenachNabersetabliert, umdieteilweiseweitsubgingivalliegen- den Furkationseingänge detektieren zu können. Die Einteilung erfolgt hierbei entsprechend verschiedenerKlassifika- tionen, wobei sich die von Hamp et al. (1975) weitgehend durchgesetzt hat (Tab.2). Das Ausmaß der Zahnbeweglich- keit kann mithilfe einer üblichen Paro- dontalsonde erfasst werden,wobei sich hier die Einteilung von Lindhe und Nyman (1977) aufgrund der höheren Präzision etablieren konnte. Der BOP nach Ainamo und Bay (1975) wird durch vorsichtiges Sondieren an sechs Messstellen des Sulkus eines jeden Zahnes mit der stumpfen Parodontal- sonde nach einer Wartezeit von ca. zehn Sekunden mit einer dichotomen (Ja/Nein-)Entscheidungbeurteilt. Kritik an indexzahnbasierten Scoringverfahren Wie alle Indizes, die das Gesamt- maß der zur Verfügung stehenden Er- krankungsinformationen zugunsten einer besseren Durchführbarkeit und Einfachheit auf einige Parameter redu- zieren,kannauchderPSIzueinerÜber- schätzung der Erkrankungslast sowie des Behandlungsbedarfs führen, da jeweils nur der Zahn mit der höchsten Erkrankungsprogressiondengesamten Gebissabschnitt (Sextanten) repräsen- tiert, ohne dass alle weiteren Zähne Berücksichtigungfinden.Dasbedeutet, dass im Zweifelsfall lediglich ein Situs (vonsechsgemessenen)eineseinzelnen Zahnes eines Sextanten eine erhöhte Sondierungstiefeaufweisenkann,mög- licherweise aufgrund einer lokalen Ur- sache, jedoch der gesamte Sextant den Score3/4erhaltenwürdeundsomiteine komplexe Parodontitistherapie sugge- riert. Dementsprechend weist der PSI zwareinehoheSensitivitätzurrichtigen Identifizierung erkrankter Personen von über 90 % auf,denn in diesem Fall wäre ja tatsächlich ein Zahn erkrankt. Die Spezifität als Maß zur richtigen Identifikation der Gesunden wurde jedoch lediglich mit 40 % angegeben. Die richtige Identifikation von gesun- denIndividuenliegtaberunterhalbder Akzeptanzgrenzevon80%.Daherwird bei einem positiven PSI-Befund die Aufnahme eines vollständigen Paro- dontalstatus inklusive Röntgendiag- nostik empfohlen, um die tatsächliche generelle Erkrankungsprogression zu bestimmen. In der zahnärztlichen Pra- xishatsichderPSIalsScreeningverfah- ren dennoch gut bewährt, und er kann beigesetzlichKrankenversichertenaller Altersgruppen im Abstand von zwei Jahren bestimmt werden. Mithilfe der Anamnese, des Parodontalstatus und der radiologischen Befunde kann als Summe aller Informationen eine kom- plexe Diagnose entsprechend der Klas- sifikationderParodontalerkrankungen (Armitage 1999) gestellt werden, um hierauf eine angemessene Therapie- planungzubegründen. Risikobestimmung im Rahmen der unterstützenden Parodontitistherapie Die Behandlung von Patienten mit Parodontalerkrankungen besteht nicht nur aus der primären antiinfektiösen Therapie mittels Vorbehandlung und subgingivaler Instrumentierung im Sinne von Scaling und Root Planing, sondern vielmehr in der Organisation undDurchführungeineseffektivenund vorallemrisikoorientiertenErhaltungs- programms,umeineReaktivierungder Erkrankung frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.Bei der Betrachtung des individuellen Risikos gilt die Unter- scheidung zwischen patientenbezoge- nen, zahnbezogenen und situsbezoge- nen Risikofaktoren (Lang und Tonetti 2003). In Bezug auf die patientenbezo- genenRisikofaktorenwurdeninsgesamt sechs verschiedene Einflussgrößen de- terminiert, mit deren Hilfe es möglich ist, ein individuelles Risikoprofil zu er- stellen: die sogenannte Berner Spinne – das Hexagon nach Lang und Tonetti. HierbeiwerdendiebereitsausderÄtio- pathogenesebekanntenEinflussgrößen der Parodontitis (Page und Kornman 1987), Blutung nach Sondieren (BOP), Residualtaschen > 4 mm, Zahnverlust, Attachmentverlust bezogen auf das Al- ter,systemisch/genetischeEinflüsseund das Rauchen, miteinander in Korrela- tiongebracht,umdarausdengeeigneten Abstand zwischen den Sitzungen der unterstützendenParodontaltherapiezu determinieren. Die erste Kenngröße des Hexagons nach Lang und Tonetti ist der prozen- tuale Anteil der Messstellen, die nach Sondieren eine Blutung aufweisen. Die Grenze zum Hochrisikobereich wurde unteranderemaufgrundeinerprospek- tiven Langzeituntersuchung von Joos et al. Auf 25 % festgelegt, wobei zu be- achten ist, dass Raucher im Gegensatz zu Nichtrauchern einen tendenziell geringeren BOP aufweisen (Bergstrom undPreber1986).Verlaufsbeobachtun- gen über ein Vierteljahrhundert haben gezeigt, dass persistierende gingivale Entzündungen als klarer Risikofaktor fürlangfristigenAttachment-undauch Zahnverlustanzusehensind:Zähnemit über Jahre auftretender Gingivitis wie- sen 70 % mehr Attachmentverlust auf alsZähneohneZahnfleischbluten.Ent- zündungsfreie gingivale Verhältnisse zeigten für die entsprechenden Zähne eine „Überlebensrate“ nach 50 Jahren von99,5%,währendsiebeidauerhafter Gingivitis bei 63,4 % lag. Residualta- schenvonmehrals4mmSondierungs- tiefe erhöhen nachweislich das Risiko füreineReaktivierungderEntzündung und einer damit verbundenen Zunah- me von Attachmentverlusten, weshalb auch dieser Faktor zum Risikoprofil beiträgt. Mit Ausnahme der Weisheits- zähnefließtderZahnverlustinnumeri- scherFormindieRisikoanalysemitein, da ein zunehmender Zahnverlust von mehr als acht Zähnen die Funktion be- einträchtigenkann. Der Verlust an Alveolarknochen in KorrelationzumAlterdesPatientenbe- schreibt sehr deutlich den Krankheits- verlauf. Die Berechnung erfolgt mittels DivisiondesprozentualenAnteilsanbe- reits verlorenem Knochen am stärksten betroffenen Seitenzahn (geschätzt an- handradiologischerBefunde,wobeidie Schmelz-Zement-Grenze als Referenz für100%dient)durchdasAlterdesPa- tienten.Je höher derWert des Quotien- tenist,destohöherkanndasParodonti- tisrisiko eingestuft werden. Beispielhaft seieinVerlustvon40%anAlveolarkno- chen bei einem 56-jährigen Patienten. Nach der Berechnung hatte dieser Patient einen altersbezogenen Attach- mentverlustvon40%/56Jahre≈0,7.Der durchschnittliche jährliche Verlust an Alveolarknochenwurdemit0,1mmpro Jahr in der Schlüsselpublikation zum natürlichen Parodontitisverlauf an Tee- arbeitern in Sri Lanka ermittelt. Dabei darf nicht vergessen werden, dass sich dieserMittelwertausdemindividuellen Krankheitsverlauf vieler hundert Pro- banden zusammengesetzt hat. Auch in dieser Untersuchung wurde eine große BandbreitevonjährlichemAttachment- verlustermittelt,wobeiesnichtmöglich ist,pauschaleinen„grünenBereich“fest- zulegen, innerhalb dessen dieser Vorgang als physiologisch und außerhalb dieser Grenzen als pathologisch bezeichnet werdenmuss.ErgibtabereinenAnhalts- punktzurEinschätzung. InBezugaufsystemischeundgene- tischeEinflussfaktorenwerdenErkran- kungenwiederDiabetesmellitus(TypI und Typ II), HIV oder Genpolymor- phismen erwähnt. Für diese Parameter ist die Assoziation zu Parodontaler- krankungen derzeit nicht eindeutig geklärt. Obwohl Genpolymorphismen auchzunehmendinweiterenmedizini- schen Disziplinen Beachtung finden, relativiert sich seine isolierte Gewich- tung, wenn man ihm den Risikofaktor starkes Rauchen gegenüberstellt. Nach der Bestimmung aller erforderlichen Parameter kann das individuelle Pa- tientenhexagon ermittelt werden. Die Berechnung des Risikoprofils und der damit verbundenen Erhaltungsthera- pie-Intervalle kann auch interaktiv überdieKlinikfürParodontologieund Brückenprothetik der Universität Bern durchgeführt werden (www.dental- education.ch/risikobeurteilung). Die Einteilung des Abstands zwi- schen den einzelnen Sitzungen der unterstützenden Parodontitistherapie ergibtsichdabeiwiefolgt: •Niedriges Risiko = UPT-Intervall alle zwölf Monate:AlleAngaben liegen im Niedrigrisikobereichodermaximalein Vektor ragt in den moderaten Bereich hinein. •Mittleres Risiko = UPT-Intervall alle sechs Monate: Mindestens zwei An- gaben liegen im moderaten Bereich, aber maximal ein Vektor liegt im Hochrisikobereich. •Hohes Risiko = UPT-Intervall alle drei Monate: Mindestens zwei Angaben liegenimHochrisikobereich. Zusammenfassung Screeningverfahren haben sich in der Medizin zur Früherkennung von Erkrankungen vielerorts durchgesetzt. MitdemParodontalenScreeningIndex steht auch in der Zahnmedizin ein In- strumentdesrationellenScreeningsfür alle Patienten mit unbekanntem Paro- dontalstatus zur Verfügung. Er gehört somit als obligatorischer Bestandteil in die zahnärztliche Befunderhebung. Zur langfristigen Überwachung bereits identifizierter Parodontitispatienten hat sich die sogenannte Berner Spinne bewahrt, die eine umfassende Beurtei- lung des Patienten mit seiner Erkran- kung ermöglicht. Auf der Grundlage dieses befunddiagnostischen Verfah- rens lässt sich ein sinnvolles Behand- lungsintervall für die unterstützen- de Parodontitistherapie bestimmen. Wichtig ist dabei, dass die Parameter regelmäßig reevaluiert werden, um patientenseitige Veränderungen des Erkrankungsverlaufs frühzeitig fest- zustellenundmitgeeignetenTherapie- maßnahmenzubegegnen. Erstveröffentlichung:DentalhygieneJournal1/11 PT State of the Art PERIO TRIBUNE Austrian Edition · Nr. 11/2011 · 2. November 201118 Fortsetzung von Seite 17 PSI-Score Klinische Definition des Score Therapieempfehlung 0 Keine Blutung, kein Zahnstein/Plaque, Keine Therapie notwendig, keine defekten Restaurationsränder weitere präventive Betreuung 1 Sondierungsblutung, kein Zahnstein/Plaque, Mundhygieneinstruktion keine defekten Restaurationsränder 2 Sondierungsblutung, Zahnstein/Plaque Supra- und subgingivale Plaque- und und/oder defekte Restaurationsränder Zahnsteinentfernung, Mundhygieneinstruktion, Verbesserung plaqueretentiver Restaurationsränder 3 Sondierungstiefen 3,5–5,5mm, Sondierungsblutung Weiterführende Diagnostik möglich, Zahnstein/Plaque möglich, (Parodontalstatus, Röntgen) und Reevaluation, defekte Restaurationsränder möglich ggf. systematische Parodontitistherapie 4 Sondierungstiefen größer als 5,5 mm, Weiterführende Diagnostik Sondierungsblutung möglich, Zahnstein/Plaque (Parodontalstatus, Röntgen) und Reevaluation, möglich, defekte Restaurationsränder möglich ggf. systematische Parodontitistherapie Tab. 1: Klinische Definition der Scores des Parodontalen Screening Index und abgeleitete Therapieempfehlungen entsprechend der Richt- linien der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DGP). Grad 0 Keine horizontale Sondierungstiefe Grad 1 1–3 mm Grad 2 > 3 mm, aber nicht durchgängig Grad 3 Furkation vollständig durchgängig Tab. 2: Furkationseinteilung nach Hamp et al.(1975). Dr.med.dent.AdrianLucaciu Department für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Fakultät für Gesundheit UniversitätWitten/Herdecke Alfred-Herrhausen-Straße 50 58448Witten,Deutschland Tel.: +49 2302 926-600 Fax: +49 2302 926-681 adrian.lucaciu@uni-wh.de www.uni-wh.de Priv.-Doz.Dr.med.dent.habil. RainerA.Jordan(M.Sc.) Oberarzt derAbteilung für Zahnerhaltung,Bereich Community Dentistry UniversitätWitten/Herdecke Fakultät für Zahn-,Mund- und Kieferheilkunde Alfred-Herrhausen-Straße 50 58448Witten,Deutschalnd Tel.: +49 2302 926-626 Fax: +49 2302 926-661 andreas.jordan@uni-wh.de www.uni-wh.de Kontakt Eingangs- untersuchung PSI Hexagon UPT Vollständiger Parodontalstatus Diagnose + Therapie Reevaluation PSI Score 3–4 PSI Score 0–2 Abb.1: Flow-Chart zum Behandlungsablauf.