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Dental Tribune German Edition

BERN/STEFFISBURG – Das vielfäl- tige wissenschaftliche Programm in Bern deckte mit Schwerpunkten wie Prävention, Zungenmanagement, restaurative und chirurgische Thera- pien oder Sedation und Vollnarkose verschiedene relevante Themen- kreiseabundgingauchaufpsycholo- gische Fragestellungen ein. Die Prä- sentation von Fallbeispielen schlug die Brücke von der Theorie zur Praxis. Dr. Brigitta Bergendal aus Jönköping, Schweden, gestaltete den Auftakt der Veranstaltung am Kinderspital Bern. Die vorbildlichen Institutionen zur Betreuung Behin- derterinSchwedenwurdendabeivon der Leiterin des „National Oral Dis- abilityCenter“enpassantvorgestellt. DieProblematikbeiseltenenSyndro- men besteht nicht nur in Form der eigentlichenSymptome,sondernauch in der Seltenheit der Krankheit. Die Definition seltener Syndrome variiert zwischen1:1.500Personen(USA)bis zu1:10.000Personen(Schweden)be- trächtlich. Zur Erkennung etwaiger Syndrome ist u.a. auf die Durch- bruchszeiten sowie die Zahnform zu achten. Hierzu stellte Bergendal das Nordic Orofacial Test-Screening (NOT-S auf www.mun-h-center.se), ein Instrument zur Evaluation oro- fazialer Dysfunktion vor. Prof. em. Ulrich Nils Riede, Freiburg im Breisgau, hielt einen philosophischen Vortrag über Ethik und Ästhetik der Behinderung. Die Ursache der„Abschreckung“,die von behinderten Menschen ausgeht, wurde dabei religiös-kulturell sowie geschlechterspezifisch hergeleitet. Der Vortrag endete schließlich in dem Vergleich Technik – Gesell- schaft. Die Integration der „unge- normten“ Menschen bringt uns also wieder zur Menschlichkeit zurück, von wo die Kultur denAnfang nahm. Zurück zur praktischen Materie ging esmitzweiPatientenfällen,wobeidie Therapie eines spastischen Patienten und eine Patientin mit multiplen Nichtanlagenvorgestelltwurden.Dr. CatherineMorel von der Universität Genf erläuterte in ihrem Vortrag die einfachere Prävention von Fehlstel- lungen wie auch deren Therapie. Durch abnormale Schluck- und Funktionsmuster können Fehlstel- lungennacheugnathemDurchbruch entstehen. Beispiel beim Down- Syndrom, wäre aber einfacher und kostengünstiger zu bewerkstelligen. Therapieansätze in der Logopädie Die Logopädin Judith Schäfer zeigt die Schwierigkeit des „Zungen- managementbeimKindmitBehinde- rung“. Die Komplexität des Schluck- vorganges zeigt sich eindrücklich, wenn eine Phase Probleme bereitet. Mit Haltungs- und Bewegungskontrolle wer- den Muskelsynergien ge- nutzt,umdenSchluck- vorgang zu verbes- sern. Dabei kann sich selbst die Motorik der Hände auf den Schluck- vorgang aus- wirken. Dass behin- dert nicht gleich in- compliant bedeutet, zeigte Dr. Caroline Moret, Klinik für Kieferorthopädie und Kinder- zahnmedizin, ZZM Zürich, in ih- rem Referat „Restaurative und chirurgische Therapieansätze“. Dabei unterscheidet sie nicht zwischen einem behinderten odervomPrivatzahnarztalsun- behandelbar abgestempeltem Kind. Bei der Entscheidungs- findung geht sie folgender- maßen vor: 1. Anamnese 2. Befund/Untersuchung Das persönliche Abholen im Wartezimmer gibt einen ersten per- sönlichen Kontakt und ist zur allge- meinen Einschätzung der Situation hilfreich. Bei der radiologischen Untersuchung werden Doppelfilme verwendet und dem Patienten als „Beweisstück“ seiner Tapferkeit mit- gegeben. Ein gutes Ergebnis in der Sitzung der Befundaufnahme gibt mit Lob Vertrauen und Verlässlich- keit für die Therapiesitzun- gen. 3. Ausmaß des Therapiebedarfs Wie gestaltet sich der Therapie- bedarf im Verhältnis zum Alter oder zur Behinderung? Kann eventuell etwas zu einem späteren Zeitpunkt therapiert werden? Kann mit Pro- phylaxemaßnahmen eine Therapie hinausgezögert werden? 4. Möglichkeiten Kommt eine Sedation oder Nar- kose infrage? Eventuell bei einer Kombinationsnarkose, wenn ein an- derer Eingriff geplant ist. 5. Patienten/Elternwunsch Die Überzeugung der Eltern von der Behandlungsnotwendigkeit bringt auch beim Patienten eine bessereCompliance.AlsBeispielwird die Behandlung einer Durchbruchs- zystemittelsInzisionohneAnästhesie aufgeführt, d.h. es sollte bei kurzem Schmerz eher auf Lokalanästhesie verzichtet werden, wenn der Ein- stichschmerz ähnlich der Schmerz- haftigkeit der Therapie selber ist. Silbernitrat zur Verödung ei- ner Karies, die Anwendung von Cariosolv und Stahl- kronenkönnenTherapie- alternativen darstellen. Ebenso kann eine Milchzahnendo mit Vitapex einer Extraktionvor- gezogen wer- den,umeine Anästhesie zu vermei- den. Dr. med. dent. et Dr. phil. René Krum- menacher, Psycho- therapeutisches TeamUniZürich, beschäftigt sich mit Zahnarztpho- bikern. Die Stra- tegie im Umgang mit diesen Patien- tenistdaslangsame Heranführen an die Therapie, wobei der Patient auf seinem Weg auf den Zahnarztstuhl jeweils auf einer Skala von 1–10 sei- nen Angstzustand beschreibt. An- gefangenvomZahnarztschildvorder Haustür bis zur Behandlung werden alleSchrittebewertet.Dabeimussder Patient lernen, dass die Angstkurve nicht ins Unendliche ansteigt, son- dernauchwiederabflacht,sodassder befürchtete Zustand gar nicht ein- trifft, sondern die Angst auch wieder abnimmt. Mit dem Erfolgserlebnis und dem Gefühl „Ich kann etwas gegen meine Angst tun“ kann der Patient schrittweise an die Therapie herangeführt werden. Behandlung mit TV, Stop-Knopf, Laser und The Wand Sedation und Vollnarkose waren das Thema von Dr. Nathalie Schei- degger, Klinik für Zahnerhaltung, Präventiv- und Kinderzahnmedi- zin, ZMK Bern. Von den als nicht behandelbar überwiesenen Kindern konnten 45 % mit einfachen Hilfs- mitteln behandelt werden.TV an der Decke,einStopp-Knopf,mitdemdie Kinder die Behandlung unterbre- chenkönnen,LaserunddasAnästhe- siesystem TheWand gilt als schmerz- arme Therapiemethode. 33 % der oben genannten Kinder werden in Sedationund22 %unterVollnarkose behandelt. Sedation wird mittels Dormicum (Midazolam) oder Lach- gas erreicht. Indikationen dazu sind nebst Angstpatienten Kleinkinder, Behinderte,Patientenmitausgepräg- tem Würgereflex, Notfalltherapien, wo der Patient nicht Step by Step an die Therapie herangeführt werden kann, und große Sanierungen. Die Dosierung mit Midazolam oral be- trägt 0,4–0,5mg pro Kilo Körperge- wicht 30 Minuten vor Behandlungs- beginn.Die Sauerstoffsättigung wird mit einem Pulsoximeter überwacht. Nach der Behandlung wird der Pa- tient erst nach 30-minütiger Beob- achtung mit einer Begleitperson ent- lassen. Dr. Imke Kaschke, Leiterin des AK für Zahnärztliche Behinderten- behandlung der ZÄK Berlin, ent- warf Konzepte zur Verbesserung der Gruppenprophylaxe für erwachsene Bewohner Berliner Behinderten- einrichtungen. Behinderte stellen eine Hochrisikogruppe für Karies- und Parodontalerkrankungen dar, da die motorischen und/oder intel- lektuellenFähigkeitendieDurchfüh- rung einer adäquaten Mundhygiene erschweren. Zudem können gestörte Schluck- und Kaumuster die Selbst- reinigung der Zähne negativ beein- flussen. Die Ergebnisse zeigten, dass sich 95 % der Betreuer eine regel- mäßige fachliche Unterstützung wünschen. Diese brachte verschie- dene Fortschritte wie die Verwen- dung von speziellen Zahnbürsten (Dreikopfbürsten) oder der Zeit- punkt des Zähneputzens (Verschie- bung von vor (!) dem Frühstück auf nachher). Es wird versucht, bei den Special Olympics (Olympiade für Behinderte) diese Zielgruppe für die Verbesserung der oralen Gesundheit zu erreichen. In Deutschland neh- men rund 10 % der 480.000 geistig Behinderten an den Special Olym- pics teil. Erstveröffentlichung: DentalTribune Schweiz: 7+8/11 DT International Events DENTALTRIBUNE German Edition · Nr. 10/2011 · 5. Oktober 201112 Abb.3:Unterstützung bei der Zahnpflege. Von Anästhesie bis Zungenmanagement: Das behinderte Kind in der zahnärztlichen Praxis Die Schweizerische Gesellschaft für die zahnmedizinische Betreuung Behinderter und Betagter (SGZBB) veranstaltete in Bern ihre 20. Jahrestagung. International renommierte Referenten thematisierten die besonderen Herausforderungen bei der zahnmedizinischen Behandlung. Von Dr. Bendicht Scheidegger, Schweiz. Abb.1: Behandlungssituation in der zahnärztlichen Sprechstunde.– Abb.2: Verschiedene behindertengerechte Zahnbürsten.(Fotos: Dr.Imke Kaschke,Berlin) 1 2 3