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Dental Tribune Austrian Edition

Unterkieferaufnahme zeigt eine redu- zierte Bezahnung und Frakturen an den Zähnen 45 und 47 aufgrund des Unfalles (Abb. 4f). Das OPG (Abb. 5) zeigtdeninfolgedesZahnverlustesent- standenen Knochendefekt im Bereich der Unterkieferfront und den Draht zurBefestigungderprovisorischersetz- ten Zähne. Zahn 45 wies eine kompli- zierte Fraktur auf, klinisch lag infolge des Verlustes der lingualen Knochenla- melleeinLockerungsgradIIIvor,sodass der Zahn nicht mehr erhalten werden konnte. Zahn 46 hatte zusätzlich zur KronenfraktureineapikaleAufhellung. Der rechte Kondylus weist ventral eine leichte zackenförmige Delle auf, der linke Kondylus eine Entrundung. Die höhere Deformation am rechten Kon- dylus war möglicherweise auf den me- dioventralen Zwangsbiss zurückzu- führen. DieFRS-AnalyseinderZentrikver- deutlichtdiesagittaleundvertikaleDys- gnathie sowohl im Weichteilprofil als auchimskelettalenBereich(Abb.6a,b). Die Parameter wiesen auf einen skelet- tal offenen Biss hin: distobasale Kiefer- relation, aufgrund der posterioren Ro- tationdesUnterkiefers(ML-NSL=39°) und anterioren Rotation der Ober- kieferbasis (Nl-NSL = 6°) großer Inter- basenwinkel (ML-NL = 33°), leicht verkleinerte Relation zwischen ante- riorer und posteriorer Gesichtshöhe (PFH/AFH=60%)beistrukturellaus- geglichen abgelaufenem Wachstums- muster. Aufgrund des Verlustes der Unterkieferzähne begrenzte sich die dentaleAnalyseaufdieOberkieferfront. Die vertikale Einteilung des Weichteil- profils zeigte eine Disharmonie zwi- schendemOber-unddemUntergesicht (G´-Sn:Sn-Me´;43%:57%). Diese äußerte sich ebenso in den knöchernenStrukturen(N-Sna:Sna-Me; 40 % : 60 %). Im Bereich des Unter- gesichtes bestand ebenso eine Dishar- monie(Sn-Stms:Stms-Me´;30%:70%), (Abb.6aundb,sieheTabelle).5,6,28,39–41 TherapiezieleundTherapieplanung 1. Herstellung einer stabilen und funk- tionellen Okklusion bei physiolo- gischerKondylenposition 2. Gewährleistung des Mund- bzw. Lippenschlusses 3. Optimierung der dentofazialen Äs- thetik 4. Schaffung der Voraussetzungen für eine adäquate prothetische Versor- gung 5. Erfüllung der Erwartungen bzw. ZufriedenheitdesPatienten. Neben den oben genannten Be- handlungszielen war die Verbesserung der Gesichtsästhetik nicht nur in der Sagittalen, sondern auch in der Verti- kalen zu nennen.Dies sollte durch eine relative Verkürzung des Untergesichtes erfolgen. Eine Verkürzung des Unter- gesichtes als kausale Therapie mit entsprechendem Effekt auf die faziale Ästhetik und Lippenfunktion konnte bei dieser Patientin nur durch eine kombinierte kieferorthopädisch-kie- ferchirurgische Behandlung erreicht werden. Als Operation wurde eine bi- maxilläreOsteotomiegeplant.ZurVer- besserung der Vertikalen war eine Oberkieferimpaktion notwendig, die im dorsalen Bereich stärker als im ven- tralen Bereich durchgeführt werden sollte. Als Folge der Impaktion sollte der Unterkiefer mit den Kondylen als „Rotationszentrum“35 in der Sagittalen und Vertikalen autorotieren; dabei war eine Verlagerung des Pogonion nach ventralundgleichzeitignachkranialzu erwarten(Abb.7).19-21,23,37,44 Zur vollständigen Korrektur der sagittalenDysgnathiewarzusätzlicheine Unterkiefervorverlagerunggeplant. Therapiedurchführung Der Behandlungsablauf entsprach dem Würzburger Behandlungskonzept für kombiniert kieferorthopädisch- kieferchirurgischeFälleundbestandaus vierPhasen:38,39,41 I.Kiefergelenkbehandlung II.Kieferorthopädisch-kieferchirurgi- scheBehandlung III.Retention IV.ProthetischeVersorgung. I.PräoperativeMaßnahmenund orthodontischeVorbereitung 1)„Schienentherapie“: Für fünf Wo- chen wurde eine plane Aufbiss- schiene eingesetzt, um einerseits die physiologische, zentrische Kondy- lenposition zu ermitteln, und ande- rerseitsdieKiefergelenkbeschwerden zu therapieren. Dadurch konnte der Zwangsbiss in seinem ganzen Aus- maß dargestellt werden.7,10 Unter- lagen mit einer falschen Kondylen- position (wegen des Zwangsbisses) hätten zu einer falschen Diagnose, Behandlungsplanung und nicht zu- letzt Behandlungsdurchführung mit entsprechender Auswirkung auf das Ergebnisgeführt.38,41,42,43 2)Orthodontie zur Ausformung und Abstimmung der Zahnbögen auf- einander und Dekompensation der skelettalen Dysgnathie.Entscheidend bei der Vorbereitung war die Protru- sionunddasTorquenderOberkiefer- front nicht nur zur Auflösung des Engstandes, sondern auch hinsicht- lich der durchzuführenden Opera- tion, bei der die Maxilla impaktiert undnachposteriorrotiertwird.Diese Maßnahme führt zu einer steileren Stellung der Oberkieferfront, was bei der Vorbereitung berücksichtigt wer- den muss. Deshalb konnte die labiale Achsenneigung der Oberkieferfront vor der Operation toleriert werden. Zur orthodontischen Behandlung wurde eine Multiband-Apparatur (22erSlot-Brackets)verwendet. 3)„Schienentherapie“ zur Ermittlung der „Zentrik“ drei bis vier Wochen vor dem operativen Eingriff. Ziel ist die Registrierung des Kiefergelenkes in seiner physiologischen Position (Zentrik)(Abb.8).42,43 II.KieferchirurgiezurKorrektur derskelettalenDysgnathie Nach Modelloperation, Festlegung der Verlagerungsstrecke und Herstel- lung der Splinte nach dem inWürzburg verwendeten System (Vier-Splint-Sys- tem: Ausgangssplint bzw. Registrie- rungssplint, Oberkieferimpaktions- splint, Unterkieferautorotationssplint und Zielsplint), wurde am Oberkiefer eineLeFort-IOsteotomiedurchgeführt. DurchdieAutorotationdesUnterkiefers wurde ein Teil der Distallage korrigiert. Der Rest der Korrektur der Klasse II- Okklusion erfolgte durch die operative Unterkiefervorverlagerungmittelssagit- taler Spaltung nach Obwegeser-Dal Pont.13,14,31–33 Die operative Ventralverlagerungs- strecke betrug rechts 6 mm und links 2 mm mit einem Seitenschwenk von 4,5 mm nach links. Die zentrische Kon- dylenpositionierung während der Dys- gnathieoperation ist in der Würzburger Klinik ein standardisiertes Verfahren zur Aufrechterhaltung der räumlich korrektenStellungderKondylen.29,30 III.OrthodontiezurFeineinstellung derOkklusion Dabei ist der frühestmögliche Ein- satz der orthodontischen Kräfte ent- scheidend für deren Wirkung, da die angestrebten orthodontischen Zahnbe- wegungeneinfacherdurchzuführensind. Entsprechend beginnt nur wenige Tage nachderOperationdiepostchirurgische orthodontische Behandlungsphase.38, 41 Es wurden up-and-down Gummizüge eingesetzt. Zur Orientierungshilfe der MuskulaturandieneueLagedesUnter- kiefers wurden zusätzlich leichte Klasse II-Gummizügeeingehängt. IV.RetentionzurSicherungdes erreichtenErgebnisses Bei einer Unterkiefervorverlage- rung ist die Umstellung und Umorien- tierungderbetroffenenWeichteilenötig. EineVorverlagerungführtzueinerStre- ckungundBelastungderWeichteileund des suprahyoidalen Komplexes, was als rezidivfördernd bei Klasse II-Dysgna- thienanzusehenist.9,17,18,38,39,41 Bei großer operativer Verlagerungs- strecke und Patienten mit tendenziell verspannter bzw. kurzer Muskulatur im suprahyoidalen Bereich unterstützt eine perioperative, physiotherapeutische Be- handlung die Rehabilitation und Neu- orientierungderMuskulatur.UmdieMus- kulaturbeiderAdaptionzuunterstützen, empfiehlt sich als Retentionsgerät ein bi- maxilläres Gerät – wie z.B. der Bionator. Am Tag der Entbänderung wurde dieser angefertigt und eingesetzt. Zweieinhalb Monate nach Abschluss der kieferortho- pädischenBehandlungwurdedieprothe- tischeVersorgung eingeleitet.Die Patien- tinbekameinenfestsitzendenZahnersatz von 35–43 mit zwei verblockten Kronen andenZähnen46und47undeinemAn- hängeralsErsatzfürdenZahn45. Der dentoalveoläre Defekt im Be- reich der Unterkieferfrontzähne (33,32, 31,41) wurde durch Keramikmasse mit gingivaähnlicher Farbe ersetzt. Eine Knochenaugmentation zur Beseitigung des Alveolardefektes war wegen des er- schwertenprimärenVerschlusseskontra- indiziert; außerdem hatte die Patientin eineAugmentationabgelehnt. Ergebnisse und Diskussion Die intraoralen Bilder zeigen die Endsituation vor und nach der prothe- tischen Versorgung (Abb. 9a–e, Abb. 10a–d). Es wurden neutrale Okklusions- verhältnisse auf beiden Seiten und har- monische Zahnbögen hergestellt. Die extraoralen Aufnahmen lassen eine har- monischeGesichtsdrittelunginderVer- tikalen, die durch die operative Verkür- zung des Untergesichtes erreicht wurde, und ein harmonisches Profil in der Sagittalenerkennen.DasMundprofilist harmonisch bei entspanntem Lippen- schluss(Abb.11a–c). Bei der manuellen Funktionsana- lyse wurde eine physiologische Distanz zwischen der habituellen Interkuspida- tionundderZentrikfestgestellt.Eslagen State of the Art ESTHETICTRIBUNE Austrian Edition · Nr. 7+8/2011 · 3. August 201118 Á Fortsetzung von Seite 17 Kephalometrische Analyse Proportionen der Weichteilstrukturen vor und nach Behandlung Parameter Mittelwert vor Behandlung nach (Zentrik) Behandlung G’-Sn/G’-Me’ 50% 43% 48% Sn-Me’/G’-Me’ 50% 57% 52% Sn-Stms 33% 30% 33% Stms-Me’ 67% 70% 67% Skelettale Analyse: Durchschnittswerte bzw. Proportionen skelettaler Strukturen vor und nach Behandlung Parameter Mittelwert vor Behandlung nach Behandlung SNA (°) 82° 78° 78,5° SNB (°) 80° 70° 75° ANB (°) 2° 8° 3,5° WITS-Wert (mm) ± 1mm 4mm 1mm Facial-K. 2mm 7,5mm 2,5mm ML-SNL (°) 32° 39° 36° NL-SNL (°) 9° 6° 8° ML-NL (°) 23° 33° 28° Gonion-< (°) 130° 121,5° 125° SN-Pg (°) 81° 71° 76° PFH/AFH (%) 63% 60% 64% N-Sna/N-Me (%) 45% 40% 45% Sna-Me/N-Me (%) 55% 60% 55% 4a 11a 12a 12b 13 14 11b 11c 4b 4c 4d 4e 4f 5 8 9a 9b 9c 9d 9e 10a 10b 10c 10d 6a 6b 7 Abb.4a–f:IntraoraleAufnahmeninderZentrik:distale Okklusionsverhältnisse rechts und links (a–c). Nonok- klusionaufderlinkenSeite(d),EngständeimOberkiefer (e) und eine reduzierte Bezahnung im Unterkiefer mit Frakturen an den Zähnen 45 und 47 (f). – Abb. 5: Orthopantomogramm (OPG) zu Beginn der Behand- lung. – Abb. 6a, b: Kephalometrische Durchzeichnung der Aufnahme vor Beginn der Behandlung; es liegt eine skelettale (a) und Weichteildisharmonie (b) in der Vertikalen vor. – Abb. 7: Simulation der chirurgischen Impaktion der Maxilla und der folgenden Reaktion der Mandibula im Sinne einer Autorotation nach kranial und gleichzeitig nach ventral. – Abb. 8: Eingegliederte planeAufbissschiene vierWochen vor der Operation zur Ermittlung der Zentrik. – Abb. 9a–e: Intraorale Auf- nahmen nach chirurgischer Bisslage und postoperativer Feineinstellung der Okklusion. – Abb. 10a–d: Intra- orale Aufnahmen nach der prothetischen Versorgung. – Abb. 11a–c: Extraorale Aufnahmen nach Abschluss der Behandlung;ansprechendesdentofazialesErscheinungs- bild. – Abb. 12a, b: Kephalometrische Aufnahme nach Behandlungsende; die skelettalen (a) und Weichteil- strukturen (b) in der Vertikalen wurden harmonisiert. – Abb. 13: Überlagerung der kephalometrischen Auf- nahmenvorundnachderBehandlung.–Abb.14:Ortho- pantomogrammaufnahmenachEndederBehandlung.